Doris Wolf: Das wunderbare Vermächtnis der Steinzeit und was daraus geworden ist

Doris Wolf: Das wunderbare Vermächtnis der Steinzeit und was daraus geworden ist

Rezension von Marina Stachowiak (29.01.2019): Fundierte und Not-wendige Patriarchatskritik!

Es ist fast unglaublich, wie vehement die Annahme eines matrizentrischen Zeitalters von der herrschenden patriarchalen Wissenschaft zurückgewiesen wird. Mit vielen Zitaten und Beispielen verweist Doris Wolf auf diese Zurückweisungen, die sich jedoch keinesfalls als wissenschaftlich ernst zu nehmende Argumentationen gestalten. Sie zeigen sich hingegen durchgängig als emotional gefärbte und herablassende Abwertungen der Ergebnisse der Matriarchatsforschung und halten vehement an den einmal festgelegten patriarchalen Mustern fest, etwa, dass die Steinzeit eine Zeit der Jäger gewesen sei, obwohl es fundierte Ergebnisse dafür gibt, die dagegen sprechen.

Das Verleugnen und Verschweigen einer unglaublich langen Epoche, die aller Wahrscheinlichkeit nach äußerst naturverbunden und wertschätzend sowie von einer friedlichen menschlichen Gemeinschaft getragen war, zeugt von der Macht patrizentrischer Ideologie, die sich anmaßt, alles besser zu wissen, alles beherrschen und besitzen zu müssen, während alles Andere sowie die weiblichen Werte und insbesondere das weibliche Geschlecht ausgegrenzt und unterdrückt, und wie uns die Geschichte zeigt, ermordet wird.

Während der gesamten patriarchalen Epoche wurde und wird Mutter Erde, wie wir unseren Planeten auch heute immer noch nennen, ausgebeutet und vergewaltigt, während sie in der matrizentrischen Phase geachtet und als Gottheit verehrt wurde. Am Beispiel der weltweit gefundenen Figurinen von Göttinnen, die in der klassischen Archäologie verfälschend als „Venus“ bezeichnet werden, wird greifbar, dass die Frau und Mutter in der Steinzeit als eine das Leben schenkende und mit Nahrung versorgende geehrt wurde. Für den herrschenden Kriegs-, Macht- und Gewaltpatrizentrismus unserer Tage kaum denkbar.

Umso nachvollziehbarer ist die Entstehung brutaler Gewaltherrschaften und Kriege seit der Durchsetzung des Monotheismus, einer Projektion des Mannes in den allmächtigen Vatergott im Himmel bzw. im Jenseits, der keine anderen Götter und erst recht keine Göttinnen neben sich duldet. Im Alten Testament der Bibel kann jedeR nachlesen, was mit den matrizentrischen Kulturen geschah, wie sie überfallen, ermordet und überwältigt wurden (z.B.: 1. Könige, 3. Mose). Dies selbstähnlich zur Ausrottung und Unterdrückung indigener Völker auf der ganzen Welt im Namen des Herrn und ebenso selbstähnlich zur Folterung, Vergewaltigung und Ermordung von Millionen Mädchen und Frauen im ausgehenden Mittelalter und der Neuzeit. In meinem Buch Non est deus. Der Narr und das Ich. Über das syphilitische Bewusstsein der Neuzeit gehe ich auch darauf ein.

Wolf schreibt: „Dass jegliche kriegerischen Hinweise aus der Zeit der Darstellungen nackter Göttinnen fehlen, fällt den entrüsteten WissenschaftlerInnen keineswegs positiv auf; was sie empört sind nicht die Kriege, das obszöne Blutvergießen der relativ kurzen, rund 5000 Jahre dauernden patriarchalen Zeit, sondern die Nacktheit der weiblichen Statuetten, aus der Zeit vor dem Patriarchat, also aus den Jahrhunderttausenden des Friedens, der matriarchalen Zeit der Urgeschichte.“ (S. 84)

Ein weiteres Beispiel dafür, inwiefern der patriarchale Blick fokussiert, ja fixiert und damit eingeengt nur Teilaspekte wahrzunehmen vermag, aber nicht das Ganze.

Ein großartiges Buch, das uns gerade heute so viel zu sagen hat! Doris Wolf gilt mein herzlicher Dank. Besonders gut gefallen hat mir der Heilige Zorn, von dem das Buch getragen, aus dem heraus es möglicherweise sogar geschrieben ist.