Doris Wagner: Nicht mehr ich. Die wahre Geschichte einer jungen Ordensfrau

Doris Wagner: Nicht mehr ich. Die wahre Geschichte einer jungen Ordensfrau

Rezension von Marina Stachowiak: Dissoziation durch Ideologie

Doris Wagners Beitrag ist eine erschütternde Ergänzung zu den in den letzten Jahren bekannt gewordenen sexuellen Gewalthandlungen innerhalb kirchlicher Institutionen. Dass die zahlreichen Orden und Gemeinschaften der Katholischen Kirche auch heute noch Anhängerinnen und Anhänger finden, ist schon bemerkenswert angesichts der kirchlichen Macht- und Gewalthierarchie, die bis hinauf zum „Heiligen Vater“ geht und – darüber hinaus zu einem „Vater im Himmel“, der nichts weiter ist als eine Projektion des patriarchalen Mannes. Das ist leicht daran ablesbar, dass in seinem Namen die Kirche stets abgesegnet hat, was ihrem Macht- und Geltungsbereich Nutzen brachte, angefangen von der Ausrottung matrizentrischer Kulturen in Kanaan, in denen Mutter Erde noch geheiligt wurde (1. Könige 18, 22, 40; 1. Könige 19, 1-18; 5. Mose 17, 2-6; 2. Mose 22, 17; 3. Mose 20, 6 und 17), der Übernahme der alttestamentlichen Erbsünde Evas, die als Legitimität genutzt wurde, um Frauen zum Schweigen zu bringen (Paulus in 1. Kor. 14) und sie aufgrund ihrer sexuellen Attraktivität für Männer zu verteufeln, auf das Entsetzlichste zu foltern – insbesondere durch Vergewaltigungen – und hinzurichten, bis hin zur Absegnung von Kriegen bis in unsere Tage. Nicht die Liebesbotschaft eines Jesus von Nazareth durchzieht die lange Geschichte der „christlichen“ Kirche, sondern eine unglaubliche Arroganz, Fanatismus und der Einsatz von Gewalt.

Auch den alttestamentlichen Unterwerfungsgrundsatz übernimmt die christliche Kirche. So ist etwa im ersten Brief des Petrus (2, 18, 19) zu lesen: „Ihr Knechte, seid Untertan mit aller Furcht den Herren, nicht allein den gütigen und gelinden, sondern auch den wunderlichen. Denn das ist Gnade, wenn jemand vor Gott um des Gewissens willen das Übel erträgt und leidet das Unrecht.“

Genau das ist Doris Wagner geschehen. Sie ist eine mutige Frau, weil sie ihre persönlichen Erfahrungen an die Öffentlichkeit bringt und andere sich durch ihren Bericht einen Eindruck davon verschaffen können, was immer noch – 2018 Jahre nach Jesus von Nazareth – gepredigt wird, was immer noch anderen an Gewalt angetan wird und was immer noch unter dem schon so alten Teppich der Versuchung lauert. Sehr empfehlenswertes Buch. Ich wünsche Doris Wagner, dass sie ihre Erlebnisse irgendwann über-Wunden haben darf.