Bede Griffiths, Roland Ropers: Eine Welt, eine Menschheit, eine Religion. Auf dem Weg ins innere Universum

Bede Griffiths, Roland Ropers: Eine Welt, eine Menschheit, eine Religion. Auf dem Weg ins innere Universum

Rezension von Marina Stachowiak

Roland Ropers nennt ihn den prophetischen Menschen, Mönch und Mystiker des 20. Jahrhunderts: Dom Bede Griffiths. „Der englische Benediktinermönch Bede Griffiths (1906 – 1993) war einer der großen Mystiker und Weisen des 20. Jahrhunderts, der prophetisch die Versöhnung der Weltreligionen vorangetrieben und authentisch gelebt hat“, so Ropers in seiner Einführung ins Buch.
Was Bede Griffiths in Teil I über den Kern der verschiedenen Religionen des Westens wie des Ostens schreibt, zeugt von seiner profunden Kenntnis der verschiedenen religiösen und philosophischen Strömungen. Er beschreibt die Unterschiede der äußeren Religionen zur jeweiligen mystischen Tradition, zur inneren Religion. Die äußere Religion ist für Griffiths gekennzeichnet durch den Dualismus, der sich in einer grundsätzlichen Trennung zwischen Subjekt und Objekt, zwischen Gut und Böse, Wahrheit und Irrtum, richtig oder falsch, männlich oder weiblich und vor allem zwischen Gott und dem Menschen zeigt. Dieser Dualismus verhindert es, dass wir die Konflikte und Unterschiede in den verschiedenen religiösen Auffassungen lösen können, denn jede äußere Religion hält die eigene Auffassung über Gott und Mensch, über richtig und falsch usw. für die einzig wahre – ein Grund, weswegen beispielsweise die christliche Mystik von Seiten der Kirche zu keiner Zeit erwünscht war.
Schaut man aber die mystischen Traditionen der verschiedenen Religionen, wird deutlich, dass sie im Kern auf das Eine hinauslaufen, dass sie in ihrem Inneren ein Ganzes sind. So schreibt Griffiths: „Nur innerhalb der mystischen Tradition jeder Religion können wir über die Gegensätze hinauskommen, ohne diese dabei zu verwischen oder zum Grund für die Trennung zu machen. Es geht darum, das Geheimnis der transzendenten nicht-dualistischen Wirklichkeit zu erfassen, denn nur in diesem lässt sich die Antwort auf alle Fragen der Menschen finden.“
Insbesondere bezüglich der weltweiten Konflikte unserer gegenwärtigen Zeit sieht Griffiths die universelle Weisheit, die Ewige Philosophie als den alle Menschen und Religionen verbindenden tragenden Grund. Er erinnert an die Sprache der Mythen, die aus einem imaginativen Bildbewusstsein heraus nicht einfach bloß abstrahieren wie unser rationales wissenschaftliches und vereinzelndes Denken, sondern auch unsere Sinne, unsere Empfindungen und das Schöpferische in uns ansprechen. Ein Mythos ist nie geradlinig und einfach zu deuten, er spricht in den großen Rätseln aus der Tiefe des menschlichen Bewusstseins, ist stets mehrdeutig und verweist letztlich auf das Ursprüngliche.
Dagegen sieht Griffiths das westliche Denken, das den technischen Fortschritt gebracht hat und die Materie bis in die kleinsten Teilchen „bei der Erforschung der äußersten Grenzen von Zeit und Raum“ analysiert hat, im Zusammenhang der Verschmutzung unserer Erde, der Ausbeutung ihrer Ressourcen und der vielfältigen Störungen und Zerstörungen, die sich dadurch ereigneten und weiterhin ereignen. „All dies ist die Folge einer Philosophie, die die Erkenntnis und Beherrschung der materiellen Welt zum Ziel hatte. Die westliche Welt muss heute eine Metanoia vollziehen, eine Umkehr des Geistes, die es ihr ermöglicht, die alte Weisheit, die ewige Philosophie, auf der die menschliche Natur in Wirklichkeit beruht, wieder zu entdecken.“
Die Erkenntnis, dass sich das rationale Denken und die Entwicklung der Wissenschaften unter der Prämisse entwickelt haben, es gebe eine materielle Welt außerhalb des Geistes stellt Griffiths deshalb in Frage und er verweist in diesem Zusammenhang auf die Quantenphysik, die eine andere Wirklichkeit bekundet. Und dann schreibt er diesen wunderbaren Satz über den Tau Te King des Lao Tse: „Tao ist der „Rhythmus“ des Universums, der „Strom“ der Realität, ähnlich dem „ewig lebenden Feuer“ des Heraklit oder den Energiefeldern der modernen Physik. Sein Wesen ist die Einheit der Gegensätze, des Yin und des Yang, des Passiven und Aktiven, des Weiblichen und Männlichen. Daraus entwickelt sich in der chinesischen Philosophie ein tiefer Sinn für die Komplementarität aller Existenz.“
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch die Tatsache, das Griffiths darauf hinweist, dass mit dem Tao die Mutter gemeint ist, weil das Tao der Grund, die Wurzel und das Empfangende bedeutet. In der patriachalen Welt, die zu so viel Unheil und Ungleichgewicht, auch zu so viel sexueller Gewalt gegen das Weiblich fähig war und ist – sei es gegen die Frauen, sei es gegenüber Mutter Erde – weil der Dualismus diese strenge Teilung und damit auch die Wesenskräfte in den Seelen der Menschen durcheinander gebracht hat, schreibt Griffiths: „Es ist bedeutsam, dass Tao die „Mutter“ genannt wird. Denn wir sind in einer patriarchalischen Kultur aufgewachsen, und unsere Vorstellungen von Gott, der höchsten Realität, sind alle maskulin. Das Volk der Hebräer, von dem die westliche Welt ihre Religion übernahm, gehörte ebenfalls einer patriarchalischen Kultur an und betrachtete seinen Gott in bewusster Reaktion auf den Kult weiblicher Gottheiten der Völker, von denen es umgeben war, als männlich. Doch das Tao ist wesentlich weiblich, es ist die Wurzel, der Grund, das Empfangende.“
Im Weiteren beschreibt er das Weibliche als eine aktive Passivität, „eine Empfänglichkeit, die dynamisch und schöpferisch ist, aus der alles Leben und alle Fruchtbarkeit, alle Liebe und Gemeinschaft hervorgehen. Und er kommt zu dem Schluss: „ Die heutige Welt müsste diesen Sinn für die weibliche Kraft unbedingt wieder entdecken, die das Männliche ergänzt und ohne die der Mann tyrannisch, steril und destruktiv wird.“ Wie wahr!
Bede Griffiths Gedanken und grundsätzlichen Anliegen bezüglich eines not-wendenden Bewusstseinswandels der Menschen gehören weitergetragen und Roland Ropers nimmt diesen Faden auf, indem er in Teil II Texte vorstellt und interpretiert, die Bede Griffiths Passagen genial untermauern.